Hameln, 18.10.2025 (eigener Bericht): Was steckt wirklich dahinter? Mit zwei großen Berichten und einem Videobeitrag berichtet die DEWEZET am 17. und 18. Oktober auf Titelseite und Hauptseite im Hameln-Teil über den Protest dreier Herren gegen die Fahrradstraße zwischen Hastenbeck und Afferde. Beide Beiträge werden auch im TOP-Newsletter fünf Themen in fünf Minuten angekündigt. Die maximal mögliche Präsenz in der Zeitung für ein Thema. Aufgemacht sind die Berichte emotional und leider auch mit Falschaussagen. Es lohnt sich zu hinterfragen #istdaswahr. Hintergründe und Bewertung:

Inhaltsdarstellung Teil 1 – Bericht vom 17. Oktober 2025:
Emotionale Einleitung:
Zunächst einmal fällt auf, wie der Artikel vom Freitag, den 17. Oktober von Hamelns Chefredakteur Thomas Thimm emotional aufgemacht wurde. „Voller Inbrunst haben Politik und Verwaltung die Fahrradstraße zwischen Hastenbeck und Afferde als Erfolg gefeiert.“ So lautet der erste Satz. Die Schlagzeile: „Diese Fahrradstraße muss wieder weg“ Explosiver Streit … Eigentümer drohen mit Klage. Aussage: „in blindem Aktionismus“ habe man etwas durchdrücken wollen, was keinen Sinn mache. Die Verwaltung würde „Nägel mit Köpfen machen“ und dass die Politik es „drauf ankommen lassen möchte“.
Inhaltliche Aussagen:
- Behauptet wird mit politischer und namentlicher Zuordnung: „Die Ortsräte von Afferde und Hastenbeck mit ihren SPD-Ortsbürgermeistern Björn Lönnecker und Steffen Knippertz sowie der mehrheitlich rot-grüne Hamelner Stadtrat haben politisch über die Fahrradstraße entschieden.
- Behauptet wird, durch die Einrichtung der Fahrradstraße würden die Rechte der Eigentümer des Grund und Bodens, über die die Straße führt, missachtet. Die Stadt könne nicht mit fremdem Eigentum machen was sie wolle. Die Zustimmung der Eigentümer habe zu keiner Zeit vorgelegen.
- Behauptet werden massive Einschnitte für etwa 2.000 Autofahrende pro Tag.
- Behauptet wird ein Aufkommen von ca. 10 Radfahrerinnen und Radfahrern pro Tag.
- Es erfolgte von den Beschwerdeführern eine Fristsetzung für den Rückbau an die Stadt bis zum 24. Oktober. Drohung: „Wenn die Stadt das nicht abbaut, dann bauen wir das ab. Dann geht der Ärger richtig los.“ – „Wir wollen keinen Krieg, aber diese Geschichte geht über die Hutschnur.“
- Behauptet wird, dass es Fahrradstraßen nur dort gegen dürfe, wo es auch überwiegende Radfahrer gebe.
- Vorwurf: Die Stadt deklariere die Fahrradstraße als Feldversuch, dieser sei nun für beendet erklärt, ohne dass eine Veröffentlichung der Versuchsergebnisse erfolge.
- Alternativvorschlag: Bau eines separaten Radweges neben der Straße.
Inhaltsdarstellung Teil 2 – Bericht 18. Oktober 2025
Infobox auf der Titelseite: „Neueste Zahlen – Fahrradstraße bald Geschichte?“
Schlagzeile Hauptseite Hameln: „Nur 2,7 Prozent Radfahrer“ Neueste Zahlen nach Verkehrsmessung – ist die Fahrradstraße schon bald wieder Geschichte“
Spekulation als Einleitung:
„Kommt es beim Thema Fahrradstraße … zu einer Rolle rückwärts von Politik und Verwaltung?
Wiederholung als Einleitung:
Erneut werden die Namen von SPD-Ortsbürgermeister Björn Lönnecker und Steffen Knipperts und der mehrheitlich rot-grüne Stadtrat als Entscheider benannt.
Inhalte des Berichtes vom Vortag werden wiederholt.
Neue Informationen als Antwort der Stadt Hameln auf DEWEZET-Nachfrage:
- Die betroffenen Ortsbürgermeister wollen eine erneute Diskussion des Themas ermöglichen.
- Die Verwaltung wartet die politische Beschlusslage ab und verzichtet bis dahin auf die Installation weiterer „Berliner Kissen“.
- Genannt werden die Zahlen einer Verkehrszählung: Innerhalb von 24 Stunden seien 1.900 Fahrten registriert worden. 2,69 % seien Radfahrer gewesen.
- Eine abschließende Bewertung erfolge nach einer ein- bis zweijährigen Phase mit einer erneuten Verkehrszählung. Frühestens im Frühjahr 2026.
In einem gesonderten Kommentar schreibt Herr Thimm dann unter der Überschrift „Ideologie statt Vernunft?“ von offenbar schwerwiegenden handwerklichen Fehlern und dass sich die Politik nicht für die Voraussetzungen einer Fahrradstraße interessiert hätte und die „verheerenden Zahlen“ die Volksvertreter nicht interessiert hätten. „Wer für 2,7 Prozent der Nutzer auf Biegen und Brechen eine Straße umwidmen will, der sollte überlegen, ob sein Votum nicht doch zu sehr ideologie-getrieben ist. Der Fehler sollte korrigiert werden.“
Bewertung:

Bitte lassen sie sich von der groß aufgemachten Emotions- und Falschberichterstattung nicht irreführen #dewezetkorrektiv
Zunächst einmal – worum geht es? Was sind die „massiven Einschnitte“ für die Autofahrer?
Autofahrende dürfen aufgrund der neuen Verkehrsregelung jeweils aus Ortschaften (Hastenbeck/Afferde) mit einer Tempo 30 Verkehrsbegrenzung nicht mehr nach dem Ortsschild auf Tempo 70 beschleunigen um dann nach einer Strecke von etwa 1.200 Meter wieder auf Tempo 30 runterbremsen zu müssen.

Im Gegenzug sollte bitte auch berücksichtigt werden, wie viel Sicherheit für Radfahrende (das könnten durchaus auch Kinder oder ältere Menschen sein) auf der Strecke durch diese Regelung gegeben wird. Von dem gleichmäßigen Geschwindigkeitsniveau ohne geräuschvolles Beschleunigen und Abbremsen profitieren übrigens auch die Anwohner in beiden Ortsdurchfahrten (z. B. Cumberlandstraße), da insgesamt von einem ruhigeren Fahrverhalten vor ihrer Haustür ausgegangen werden kann. Neben weniger Lärm ist auch ein geringerer Spritverbrauch und weniger Schadstoffausstoß als Vorteil zu benennen.
2,7 % von 1.900 Fahrten am Tag sind 51 Radfahrten und somit 510% mehr, als von den Beschwerdeführern angegeben.
Die Behauptung, dass es Fahrradstraße nur dort geben dürfe, wo es auch überwiegend Radfahrer gibt, ist nicht richtig. Die Rechtslage lautet:
Fahrradstraßen dürfen aus Gründen der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs nur auf Straßen
- mit einer hohen Fahrradverkehrsdichte,
- mit einer zu erwartenden hohen Fahrradverkehrsdichte,
- mit einer hohen Netzbedeutung für den Radverkehr oder
- mit lediglich untergeordneter Bedeutung für den Kraftfahrzeugverkehr
eingerichtet werden (VwV-StVO zu Zeichen 244.1 und 244.2).
Im Gegensatz zur VwV-StVO 2017, muss der Radverkehr nicht mehr vorherrschende Verkehrsart sein (VwV-StVO zu Zeichen 244.1 und 244.2). In Nr. 17.1 der Bekanntmachung der Änderung vom 9. April 2025 heißt es: „Eine hohe Fahrradverkehrsdichte, eine hohe Netzbedeutung für den Radverkehr setzen nicht voraus, dass der Radverkehr die vorherrschende Verkehrsart ist. Eine zu erwartende hohe Fahrradverkehrsdichte kann sich dadurch begründen, dass diese mit der Anordnung einer Fahrradstraße bewirkt wird.
Weder Herr Thimm, noch die Beschwerdeführer kannten somit den aktuellen Rechtsstand und verbreiten Falschaussagen.
Auf die These, dass die Verwaltung die Grundstückseigentümer hätte vorher fragen müssen, wenn sie die Verkehrsregeln ändert, geht Herr Thimm in seinem zweiten Bericht nicht weiter ein. Ich möchte diesen „Rechtsanspruch“ in Zweifel ziehen. Eine in meinen Augen überzogene und konstruierte Auffassung, die aber Kern der Berichterstattung und auch großer emotionaler Aufhänger ist. Wer finanzierte eigentlich den Straßenbau und die Unterhaltung? Es ist der Straßenbaulastträger, und der entscheidet auch über die Einzelheiten der Verkehrsregelungen auf der Strecke. Hier wurde viel Aufregung ohne Substanz kommuniziert.
Interessant wäre auch eine Kostenberechnung für den von den Beschwerdeführern vorgeschlagenen alternativen eigenständigen Radweg (über den von den Eigentümern dann ja zusätzlich abzutretenden Grund und Boden). Was würde diese Maßnahme kosten? Wie würde hier die Eigentumsübertragung zu welchem Preis erfolgen?
Ständen Kosten und Nutzen (einige Sekunden Geschwindigkeitsgewinn) in einem angemessenen Verhältnis?
Über all diese Fragen könnte man ruhig und sachlich diskutieren.
Völlig inakzeptabel aber ist die ultimative Androhung von Selbstjustiz. Die Drohung „Wenn die Stadt das nicht abbaut, dann bauen wir das ab. Dann geht der Ärger richtig los.“ „Wir wollen keinen Krieg, aber diese Geschichte geht über die Hutschnur.“ Ist absolut inakzeptabel. „Krieg“ um eine Tempobegrenzung auf 30 km/h? Wenn die Eigentümer ihre Rechte verletzt sehen, dann steht ihnen in einem Rechtsstaat der Rechtsweg über die Justiz offen. Diese Klage anzukündigen ist ihr Recht. Selbstjustiz anzudrohen ist eine Entgleisung.
Kommen wir jetzt zur journalistische Arbeit des Chefredakteur. Vordergründig mag der Eindruck von Bericht und getrenntem Kommentar eine saubere Themendarstellung suggerieren. Tatsächlich ist insbesondere der Bericht vom 17. Oktober durchwirkt von Framing und emotionaler Scharfmacherei, die m.E. eine Parteinahme des Verfassers erkennbar machen. Wut und Emotionen sind attraktivitätssteigernd für den Leseanreiz, weniger aber für eine sachliche Debatte und Problemlösung.
Anzumerken sei auch, dass der Beitrag die Information vermissen lässt, wie die Vertreter von CDU oder FDP in den Gremien über die Entscheidung zur Fahrradstraße abgestimmt haben. Der Autor unterlässt jegliche kritisch Anmerkung oder Prüfung der Aussagen der drei Beschwerdeführer und blendet sämtliche Vorteile der Fahrradstraße aus. Für mich ist das einseitiger Kampagnenjournalismus mit schweren handwerklichen Fehlern. Wer Ideologie unterstellt und quasi mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf Verwaltung und Politik zeigt, bei dem zeigen vier Finger in die eigene Richtung.
Die Unterstellung der Beschwerdeführer, das alles schon entschieden sei, ist augenscheinlich falsch. Die Stadt wird nach einer Verkehrszählung und Bewertung über die weiteren Maßnahmen entscheiden. Persönlich möchte ich an Verwaltung und Politik appellieren, ganz in Ruhe die Veränderungen durch den Verkehrsversuch abzuwarten. Nicht die, die behaupten und aggressiv drohen, sollten die Oberhand bekommen. Rücksicht auf Schwächere, die Umwelt und ein gedeihliches Zusammenleben der unterschiedlichen Verkehrsarten sind soziale, christliche und liberale Werte unserer Gesellschaft, die höher als das Einzel-Ego der Schnellfahrbefürworter stehen. Die DEWEZET hingegen hat ein weiteres Beispiel abgegeben, wie versucht wird Veränderungen / Probeläufe durch emotional
hochgekochende Berichterstattung frühzeitig kaputtzuschreiben.
Mit freundlichem Gruß
Ralf Hermes, 18.10.2025
Botenbericht mit Video zur Fahrradstraße vom 11.08.2025:
Link zu den DEWEZET-Berichten (Bezahlschranke):
Bericht vom 17.10.2025:
Bericht vom 18.10.2025:
Kommentar vom 18.10.2025:
Bericht als PDF:
herral, 18.10.2025
Habe gerade einen radio aktiv Beitrag (Nr. 1) zum Thema entdeckt.
#fahrradstraße #hastenbeck
Über die Hintergründe spreche ich jetzt mit meinem Kollegen Anton Posnak-Sommer.
https://www.radio-aktiv.de/2025/10/17/hameln-diskussion-um-fahrradstrasse-zwischen-hastenbeck-und-afferde/
Hier der zweite radio aktiv Beitrag (Nr. 2) zum Thema entdeckt.
#fahrradstraße #hastenbeck
Die Stadt Hameln sagt, doch das gehe. Hier handelt es sich ja um keine bauliche Veränderung der Strasse, sondern um eine Anordnung. Bedeutet, wenn zum Beispiel ein Temposchild aufgestellt werden muss, brauche es keine Zustimmung der Eigentümer…
https://www.radio-aktiv.de/2025/10/17/hameln-diskussion-um-fahrradstrasse-das-sagt-die-stadt-hameln/
Danke für die die wichtige Aufbereitung und die Zusatzinfos! Habe mir schon gedacht, dass das so nicht stimmen kann, wie von der DWZ berichtet. Der Stadtrat und die Verwaltung hatten sicher ihre guten Gründe für den Versuch.
Einen Radweg zu bauen, wäre vermutlich viel teurer.